Viva La German Biergenuss

Heute bin ich über eine Meldung gestolpert, die mir einen Kommentar auf Kul-Tick wert ist
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Amerikanische Biertrinker haben Beck’s verklagt, weil auf den Etiketten „deutsche Qualität“ und „stammt aus Bremen, Deutschland“ steht. Tatsächlich wird das Bier aber seit 2012 in St. Louis gebraut. Die Biertrinker sahen sich getäuscht (Bericht im Spiegel). Zuvor kam das Bier mit dem Schiff aus Bremen (vermutlich mit dem Großsegler, der mit diesen grünen Segeln, die ur-deutsche Besatzung aus Bremen ein fröhliches deutsches Lied auf den Lippen, „Sail Away“) – das wurde dem Konzern dann aber zu aufwändig und zu teuer (oder zu nostalgisch).

Juristisch sicher korrekt, so ein „Etikettenschwindel“. Schließlich kann man für Export-Bier höhere Preise verlangen. Der Fall ist aber auch aus kulturpsychologischer Sicht bemerkenswert.

Worin besteht denn hier eigentlich die Täuschung, die zu einer Enttäuschung des Verbrauchers führt? Der Soziologe Jeremy Rifkin beschreibt unsere Zeit treffend als „kulturellen Kapitalismus“. Will heissen, dass man eine Ware nicht wegen seines Gebrauchswertes kauft – der „emotionale Mehrwert“ ist heute vielmehr die eigentliche ökonomische Größe. Wir kaufen uns nicht ein Telefon von Apple oder Turnschuhe von Nike, weil sie so praktisch oder hochwertig sind, sondern weil mit ihnen eine Aura, Gefühle und Bilder verbunden sind, mit denen wir uns umgeben möchten. Wir mögen Sushi nicht weil labberiger Fisch an sich lecker ist, sondern weil wir uns damit einem bestimmten Lifestyle zugehörig fühlen, trinken einen exotischen Drink, um uns in eine besondere Stimmung zu versetzen – oder kaufen uns eben ein Export-Bier aus Pusemuckel.

Das ist auch nichts rein Imaginäres – Austern schmecken „wirklich“ lecker, wenn man ein bestimmtes (Wunsch-)Bild von sich hat und dazu noch auf der richtigen Veranstaltung ist. Und umgekehrt schaffen wir uns mit dem Konsum bestimmter Produkte auch „wirklich“ eine bestimmte Stimmung. Dazu gibt es auch zahlreiche faszinierende Experimente in der gerade aktuellen Embodyment-Forschung (wenn ich z.B. etwas Bitteres esse, bin ich tatsächlich übel gesinnter und bewerte etwa die Leistung Anderer strenger als wenn ich gerade etwas Süßes gegessen habe).

ObamaAuch Beck’s wird sicher nicht wegen seines herausragenden Geschmacks gekauft (könnte ich mir bei Beck’s im übrigen auch schwer vorstellen). Anders schmecken wird das Bier sicher auch nicht, dadurch, dass der Hopfen keine deutsche Luft geatmet hat, das Brauwasser nicht durch deutsche Auen mäandert ist oder das Bier nicht unter grünen Segeln auf dem Atlantik geschaukelt wurde. Wohl eher im Gegenteil. Es wird gekauft, weil es ein echtes German Beer ist, weil bestimmte Bilder von Germany damit verbunden sind, und weil man sich als Konsument unbewusst einen deutschen Moment schaffen will – wie auch immer der aussieht (müsste man untersuchen – ich möchte mir aber gar nicht ausmalen, welche Stimmungen der gemeine Amerikaner mit einem German Beer verbindet, mir kommen gleich Bilder von Barack Obama auf dem Oktoberfest wie jüngst beim G7-Gipfel).

Genau hier fühlt sich der Konsument betrogen. Es wird ihm ein authentisch deutsches Bier vorgegaukelt und doch ist es nur eines aus St. Louis. Amerikanischer Alltag statt deutsche Gemutlichkeit. Interessant ist, dass dieser nicht eingelöste psychologische Mehrwert am Herstellungsort festgemacht, quasi pseudo-manifestiert wird. Die (original deutsche?) Rezeptur wird sicher die gleiche sein, ebenso das (deutsche?) Brauverfahren oder das Unternehmen (der Mutterkonzern ist übrigens belgisch).

Ich stelle mir noch vor, ich könnte Bounty verklagen, weil ich merke, dass ich gar nicht in eine träumerische Stimmung komme und von Fernweh- und Südsee-Gefühlen übermannt werde? Weil der (eigentliche) emotionale Warenwert gar nicht eingelöst wird. Vielleicht auch ausgelöst durch die Entdeckung, dass die Kokosflocken gar nicht von Südsee-Kokosnüssen stammen (womöglich nicht mal überhaupt von Kokosnüssen oder irgendetwas Natürlichem). Oder Apple, wenn sich die californische Easy-Living-Leichtigkeit nicht einstellt – kein Wunder, die Geräte werden ja auch in China hergestellt (es steht aber ehrlicherweise auch nur „Designed by Apple“ drauf, das dürfte zumindest juristisch wasserfest sein, ein bisschen entäuscht bin ich aber trotzdem).

Die betrogenen Beck’s Trinker erhalten jetzt jedenfalls 10 Cent pro Flasche für entgangenes Deutschgefühl. Für eine Brez’n wird das reichen, aber nur bayrisch original vom Schwarzwälder Bäcker aus Wien.

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