Liebe Deine Stadt

Eine Vision

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Neulich hielten wir Ausschau nach einer Location in Köln für ein Foto-Shooting. Zwar haben wir einige gefunden, die in Frage kommen, aber – jedes Mal standen ein oder mehrere Autos davor. Bei genauerem Hinsehen stehen überall Autos. Einen nicht mit Autos vollgestellten Ort haben wir nicht gefunden. Es werden von Jahr zu Jahr auch mehr, und sie scheinen immer breiter und länger zu werden.

Eigentlich ist Köln, das wird einem dann bewusst, ein einziger großer Parkplatz, dazwischen viel zu breite asphaltierte Wege für die Parkplatzsuchenden. Fällt einem normalerweise nur nicht so auf, weil wir es nicht anders kennen. Würde man den öffentlichen Raum (ohne bebaute Flächen) einmal ausmessen, dann vermute ich, dass 90% auf Straßen und Parkplätze entfallen. Als Fußgänger muss man sich mancherorts an der Hauswand entlangquetschen. Vom Fahrradfahren in Köln will ich gar nicht reden.

Und dann, auf dem Weg zurück ins Atelier, schlagartig, war sie da: Die Vision. Köln in einer unbestimmten Zukunft, in der sie zu einer richtig lebenswerten Stadt geworden ist:

Es waren nur drei simple Regeln, die eingeführt wurden, und mit denen die Lebensqualität in der Stadt dramatisch verbessert wurde.

Natürlich gab es anfangs wütendes Geschimpfe und Gemosere, Shitstorms brachen über Lokalpolitiker herein, man habe ja schließlich „Kinder“, oder zumindest einen „Hund“, dafür brauche man nun einmal „drei Autos“, oder man komme „nicht anders zur Arbeit“, es wurde von „Verbotskultur“ und “Ökofaschismus” gefaselt, Politiker und Anhänger von FDP und AfD bliesen in seltener Einigkeit ihre Backen auf, und so weiter. Na ja, kennt man ja …

Diese drei denkbar einfachen Regeln gelten für alle innerstädtischen Straßen und lauten:

  1. Parkverbot für PKWs 
  2. Fußgänger und Radfahrer haben grundsätzlich Vorfahrt
  3. Es gilt Schrittgeschwindigkeit (d.h. max. 10 km/h) 

Wow, was war das für eine Befreiung. Kölner liebten auf einmal ihre Stadt, wie man es sonst nur von Düsseldorf kennt. Das Schild über der Nordsüdfahrt wurde auf einmal nicht mehr ironisch verstanden.

Ampeln wurden komplett abgeschaltet und in den nächsten Jahren schrittweise zurückgebaut, also sämtliche Auto- und Fußgängerampeln. Sie wurden nicht mehr benötigt. Die größeren (ehemals) Auto-Straßen wie die Nordsüdfahrt in Köln wurden mit Blumenkübeln und Bänken möbliert. Alle Straßen sind in ihrer vollen Breite für Fußgänger frei. Ehemalige Bürgersteige und Parktaschen werden im Sommer von der Gastronomie genutzt. In den ehemaligen Parkhäusern in der Stadt finden regelmäßig Märkte statt, manchmal Konzerte oder Kunstaktionen.

Ein paar ergänzende Regeln wurden noch eingeführt, z.B., dass das Halten zum Be- und Entladen für eine bestimmte Höchstzeit erlaubt ist. Das Fahrzeug darf eben nur nicht dauerhaft auf der Straße (im öffentlichen Raum) abgestellt werden. Eigene Garagen und private Grundstücke können natürlich frei genutzt werden. Zudem gibt es Ausnahmeregeln, z.B. für Gehbehinderte. Diese Ausnahme muss aber begründet und beantragt werden, und es wurden dafür spezielle Flächen markiert, auf denen geparkt werden kann. Busse und Taxen fahren auf eigens markierten Trassen (und dürfen dort auch bis zu 30 km/h schnell sein).

In den Randbereichen der Stadt wurden große Parkplätze errichtet. Alle, die von außerhalb kommen und in die Stadt wollen, können hier ihr Auto abstellen. Auch Stadtbewohner parken ihre Autos hier und fahren von dort aus mit ihrem PKW ins Umland. Bus- und Straßenbahnhaltestellen sind in unmittelbarer Nähe und bringen die Menschen in die Stadt. Man musste das bestehende Liniennetz ein wenig anpassen und hat Frequenz und Taktung erhöht (hat ein bisschen gedauert, klar, KVB). Wer seinen Wohnsitz in der Stadt hat, nutzt die öffentlichen Verkehrsmittel mit einem günstigen Anwohnerfahrausweis. Nur wer von außerhalb kommt, zahlt den normalen Fahrpreis. 

Viele, anfangs empörte, in Köln wohnende Pendler stellten übrigens überrascht fest, dass sie auf diese Weise (mit der Bahn zum Auto und von dort gleich auf die Autobahn) sogar etwas schneller waren als früher, als sie noch mit ihrem Auto durch die Stadt gestoppelt waren. Und die Lebensqualität in der Stadt möchten selbst sie heute nicht mehr missen.

Soweit meine Vision.

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