Das wird man doch wohl noch sagen dürfen

 

Eine Kunst-Installation mitten in der Kölner City
Lesezeit: 3 Minuten

Der kann aber gut deutsch – Diese Kinder sind immer so musikalisch – Wer Jazz liebt, kann kein Rassist sein – Ich bin selber schon viel gereist – Die haben immer so viele Kinder – Mischling

Diese und weitere Sätze und Worte hört der interessierte “Ausstellungsbesucher” vom Anrufbeantworter eines Telefons. Sofern er sich darauf einlässt, kann er sich weitere, eigene Sätze ausdenken – und sich fragen, ob das dann schon rassistisch ist. Oder nur Klischee? Oder weil man das eben so sagt? Und überhaupt: Was ist das eigentlich, “Rassismus”, wo fängt das an, in welchen Formen zeigt es sich, wobei man selbst auf jeden Fall ganz bestimmt nicht rassistisch ist … oder?

 

 

Das Telefon steht auf einem Bord, das mit Magneten an der Innen-Wand eines Containers befestigt ist. Es ist Teil der von der Stadt Köln geförderten Installation “Ich bin weiß, privilegiert und Rassistin” der Kölner Künstlerin Marianne Lindow. Das Besondere daran ist: Die Installation steht mitten in Köln, in drei Containern zwischen Saturn und Maybach. Eigentlich völlig deplaziert. Passanten tragen Flachbildschirme aus dem Saturn. Sie eilen eilig zur S-Bahn oder ins Parkhaus. Andere schlendern herum und genießen die Oktober-Sonne. Kinder laufen vorbei. Zwielichtige Gestalten lungern auf den Bänken herum wie vermutlich an jedem anderen Tag auch. Samstag in der City.

Die Ausstellung erwischt Besucher voll in ihrem alltäglichsten Alltag, und vielleicht auch im ganz normalen unreflektierten Alltags-Rassismus – also, wenn sie sie erwischt, was bei den meisten vermutlich aber nicht der Fall ist (daher hier meine kleine “Werbung” für das ungewöhnliche Kleinod mitten in der Stadt – geht hin und guckt es euch an, wenn ihr in der Gegend seid, die Container stehen dort noch bis zum 10. Oktober und sind zwischen 14 und 18 Uhr geöffnet).

Ich mag es ja grundsätzlich, wenn aktuelle Themen unserer Kultur künstlerisch bearbeitet werden, v.a. aber dann, wenn dies nicht im White Cube eines Museums (oder Atelierhauses) geschieht, sondern so eigentlich unpassend und unverhofft mitten in der City und das auch noch mitten in der Einkaufslaune. Kann sein, dass nur wenige den Verfassungswechsel zwischen besinnungslosem Alltag und innehaltendem Reflektieren hinkriegen. Wäre mir aber egal – und Marianne ist es offenbar auch egal. Sie macht es trotzdem. Weil, das ist es nun mal, was Kunst kann und was Kunst sollte (und nicht Wohnzimmerwände dekorieren).

Die Installation – Fotos, Texte, Puppen, Objekte – wirken sehr subtil. Vielleicht (dies wäre meine Kritik) eine Spur zu subtil, um die überraschten Besucher zu erreichen. Gerade dadurch stellt sie aber auch die richtigen Fragen, die dem, der sich darauf einlässt, eben nicht zu schnell mit zu schnellen Antworten oder einer zu schnellen Positionsbestimmung entlässt (schön übrigens auch die Skulptur mit dem Elektroschrott, und dies gleich neben Saturn).

Die Künstlerin ist übrigens vor Ort (wo hat man das sonst schon?) und beantwortet sicher gerne Fragen. Monika und mich hat die Installation im übrigen auch deshalb angesprochen, weil wir uns gerade in einer psychologischen Studie mit der kulturellen Befindlichkeit und der Rolle der Medien befassen. Vieles von Mariannes Themen begegnen uns daher im Moment auch in unseren Interviews – in den abenteuerlichsten Wendungen, Drehungen und Herum- und Herauswindungen (aber dazu mehr in einem der nächsten KUL-TICK Artikel).

 

 

 

 

 

 

Mehr Infos: http://mariannelindow.de/home/

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