Kugelschreiber: Die Profanisierung der Schreibkunst

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Wenn etwas auf der Welt grundsätzlich Mangelware ist, dann sind das Kugelschreiber. Nicht, dass nicht genug davon hergestellt werden, sie verschwinden nur immer auf unerklärliche Weise oder versagen ihre Funktion, kurz bevor man sie braucht.

Es wurde in der Literatur nicht viel über Kugelschreiber geschrieben, aber es gibt dennoch eine vielversprechende Erklärung für ihr mysteriöses Verschwinden. Douglas Adams beschreibt in seinem Werk „Per Anhalter durch die Galaxis“ den gemeinen Kugelschreiber-Planeten. „Die Theorie besagt, dass alle Kugelschreiber, die plötzlich unauffindbar verschwinden, sich in einem unbeaufsichtigten Moment auf die Reise zu einem kugelschreiberoiden Planeten machen, um dann dort zu leben.“ (Wikipedia).

Es gibt auch andere mögliche Erklärungen, die man analog zu anderen Dingen, die zum Verschwinden neigen, heran ziehen könnte. Hat man einmal – peinlich berührt – erlebt, wie der Mechaniker der Autowerkstatt einen darüber belehrt, dass so ein Automotor nicht nur regelmäßig Sprit braucht, sondern auch ab und zu Motoröl, ist auch einleuchtend, dass Waschmaschinen für den reibungslosen Betrieb ab und zu mal eine Socke brauchen und Spülmaschinen kleine Löffel vertilgen. Aber welche Maschine läuft mit Kugelschreibern? Da neigt man dazu, Douglas Adams Theorie zuzustimmen.

KugelschreiberKugelschreiber sind, so können wir ohne weiteres an dieser Stelle schon einmal festhalten, keine Gebrauchsgegenstände, sondern Verbrauchsgegenstände. Dass sie vortäuschen, Gebrauchsgegenstände zu sein, macht den Umgang mit ihnen nur komplizierter. Klemmt das Ding z.B., ist man dazu geneigt, es aufzuschrauben, denn Dinge des Gebrauchs lassen sich reparieren. Der Hersteller unterstreicht diesen Irrtum, indem er ein aufschraubbares Gewinde eingebaut hat. Kaum aufgeschraubt, schwupps … der kugelschreiberoiden Planet hat vermutlich einen Mond, auf dem sich eine Kolonie von Kugelschreiber-Federn niedergelassen hat.

Die Kunst, mit Füllfederhaltern zu schreiben, erlernt man ausgiebig in der Schule. Gelingt es mal weniger, wurde der Tintenkiller erfunden. Kugelschreiber sollten uns das Schreiben eigentlich erleichtern. Gegen schmierende Flecken gibt es jedoch keine Lösung. Die wahren Trolle unter den Kugelschreibern sind wohl diejenigen, die genau einen halben Satz lang schreiben und dann nur noch Tiefdruck-Reliefs erzeugen. Da man scheinbare Gebrauchsgegenstände nicht einfach weg wirft, fällt man auf ihr übles Spiel immer wieder herein. Denn nimmt man das nächste Mal denselben Kugelschreiber in die Hand, schreibt er gleichfalls genau einen halben Satz. Mit einer großen Sammlung an Halbsatz-Kugelschreibern kann man sich jedoch mitunter über einen längeren Text hangeln.

Dass die Idee, Kugelschreiber mit Logo als Merchandising-Objekte zu verschenken – so innovationslos sie ist – dennoch nicht auszurotten ist, hat einen guten Grund. Sie erfreuen sich großer Beliebtheit, denn sie sorgen immer wieder für Nachschub. Nach einem Messebesuch ist man für die nächsten Wochen wieder gut ausgestattet. Für den Werbetreibenden verfehlen sie jedoch ihre Wirkung, denn noch bevor man den ersten Buchstaben des Firmennamens gelesen hat, sind sie schon wieder verschwunden.

Der Kugelschreiber ist der Inbegriff der Profanisierung der Schreibkunst. Ist nicht garantiert, dass der Inhalt des Geschriebenen kunstvoll anmutet, so bekundet man mit dem Griff zum Füllfederhalter doch zumindest die Absicht, etwas Bedeutungsvolles zu Papier zu bringen. Etwas, das durch schmierige Pocken nicht verschandelt werden soll, für das man hingebungsvoll das blaue Blut aus der Feder über das Papier schweifen lässt, in traditioneller Verbundenheit mit den großen Dichtern der Geschichte. Wirklich bedeutungsvolle Dokumente unterschreibt man nicht mit Kugelschreiber, schon weil sich jener als Halbnamen-Kugelschreiber erweisen könnte. Ein Verbrauchsartikel, der dem flüchtigen Entwurf ohne Bedeutung ebenso entspricht, wie der Verbrauch von Notizzetteln mit kurzer Halbwertzeit, nicht für die Nachwelt bestimmt, sondern nur für den kurz darauf Nachfolgenden.

Es gibt natürlich auch Schmuckstücke unter Kugelschreibern, versilbert, in Edelstahl oder Ebenholz, so etwas wie die Currywurst mit Blattgold, die man – wer hätte das gedacht – in Düsseldorf bekommt. Ich hatte mal einen, der leuchten konnte. Er leuchtet immer noch, aber schreibt nicht mehr. Der sündhaft teure Porschedesign-Kugelschreiber meines Kollegen schreibt hingegen vermutlich noch. Das weiß man aber nicht so genau, denn er klemmt und weigert sich, die Miene auszufahren. Man darf sich von Preis und Design nie täuschen lassen!

P.S.: Laut Spiegel online sollen übrigens jedes Jahr in Deutschland etwa 300 Menschen aufgrund verschluckter Kugelschreiberteile ums Leben kommen.

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