Der Geistesblitz und wie er in die Welt kam: Episode 7

Ableitungen für Alltag und Beruf

Dieser Beitrag ist der 8. Teil einer Serie zu unserer Studie zum kreativen Denken.
Zum Prolog geht es hier.
Zur Episode 1, “Visual Thinking”: hier.
Zur Episode 2, “Kreative Haltung”: hier
Zur Episode 3, “Die kreative Verfassung”: hier
Zur Episode 4, “Der große Aha-Moment”: hier
Zur Episode 5, “So oder so, der kreative Prozess”: hier
Zur Episode 6, “Vergleich mit bisheriger Kreativforschung”: hier

Lesezeit: 11 Minuten

Vorab ein paar Anmerkungen

Liest man Bewerbungsanschreiben, könnte man meinen die dort aufgelisteten Softskills wären dort über copy und paste eingefügt worden. Überall liest man dasselbe: Ich bin teamfähig, verlässlich, belastbar … Die Eigenschaft „kreativ“ spielte vor 10-20 Jahren noch keine Rolle- außer bei kreativen Berufen. Heute liest man sie in so ziemlich allen Bewerbungen. Ein kreativer Buchhalter mag zeitweise Steuern sparen helfen, bewegt sich aber nah am Rande der Legalität. Ob man heute als Sekretärin auch mit einer kreativen Rechtschreibung punkten kann, halte ich eher für fraglich. War „Das ist ein Kreativer“ früher eher eine Entschuldigung für wirres Verhalten, gilt es heute als wichtige Fähigkeit, die jeder haben sollte.

Den Sinn dieser Modeerscheinung kann man aber durchaus infrage stellen. Natürlich ist es heute auch irgendwie schick, kreativ zu sein, sodass man es auch gerne sein will. Man sollte es aber auch nicht überbewerten und Kreativität so sehr in den Himmel loben, dass man die guten Eigenschaften, die jemand haben kann, die sich aber mit Kreativsein eher ins Gehege kommen, abwertet, z.B.: Genauigkeit, Sorgfalt, nüchtern analytisches Denken etc. Wie bereits in den vorherigen Episoden dieser Serie erwähnt, ist der Engpass des kreativen Denkens die kreative Haltung, von der nicht klar ist, wie sie entsteht und ob man sie sich als Erwachsener überhaupt noch in ausreichendem Maß aneignen kann.

Ein viel größeres Problem ist i.d.R. auch nicht die zu gering auf der Welt vorkommende kreative Haltung von zu wenig Kreativen, die zu wenig neue Ideen entwickeln, sondern eher die fehlende kreative Haltung der Entscheider. Ob es aber immer zum Besten wäre, wenn Entscheider über eine ausgesprochen kreative Haltung verfügen, ist auch nicht klar. Sorgfältige und nüchtern analytische Entscheidungen sind in vielen Fällen vielleicht besser. Auch bei Konsumenten weckt man mit kreativen Ideen oft gar nicht mal so viel Begeisterung, verlangen sie doch meist die Änderung von Gewohnheiten der Konsumenten. Wem wäre es nicht zu anstrengend, sich ständig auf etwas Neues aus- und einzurichten und neue Handhabungen zu erlernen? Selbst mir als berufsmäßige Kreative geht es oft gehörig auf die Nerven, wenn ich beim nächsten update von IOS meine gewohnte Handhabung umstellen muss: Nicht mehr wischen, jetzt Knöpfchen drücken! Kann nicht einfach mal alles bleiben, wie es ist?

Auch diesbezüglich wird der Wert von kreativen Leistungen oft zu hoch eingeschätzt. Da ist oft der Wunsch, mit einer Innovation den Umsatz steigern zu können oder eine einmalige Marktpositionierung einnehmen zu können, der Vater des Gedanken, aber nicht die Mutter der Porzellankiste. Haben auch schon Unternehmen mit Innovationen ihren treuen Kundenstamm vergrault (bei Windows möchte man nicht von „treuen Kundenstamm“ reden, aber Windows 8 mit seinen Kacheln war trotzdem ein Beispiel dafür: Gut gemeint, aber keiner hat Bock drauf). Erfordert die kreative Idee ein regelrechtes Umdenken, indem auch der Nachfrager der Kreation die Lage aus einem neuen Blickwinkel sehen muss, um die Vorzüge der Idee zu erkennen – also das Querdenken nachvollziehen – scheitert das oft komplett.

In dieser Episode

Mit diesen angemerkten Einschränkungen im Hintergrund soll im Folgenden dennoch aufgeführt werden, was man denn machen könnte, um seine eigene Kreativität zu entwickeln (ungeachtet, ob das – wegen der kreativen Haltung – überhaupt realistisch ist, seine Kreativität zu entwickeln). Darüber hinaus sollen aus der Studie Tipps für kreative Unternehmen gezogen werden, bzw. wie man am besten mit dem Thema Kreativität in Unternehmen umgeht, damit es Erfolg verheisst.

Persönliche Entwicklung der Kreativität

Interesse am Thema: Kreative haben in der Regel bereits ein hohes Interesse am jeweiligen Thema. Wenn man an einem Thema interessiert ist und von der Aufgabe begeistert, dann gelingt in der Regel das Eintauchen besser. Bei Aufgaben von außen ist es grundlegend, dass sie entweder das Interessensgebiet ansprechen oder Interesse geweckt wird. Durch eine intensive Recherche kann das Interesse an einer Aufgabe auch entstehen und wachsen. Themen werden oft erst dadurch spannend, dass man tiefer in die Materie eintaucht. In der Recherche taucht man bereits in das Thema ein, macht es sich zu Eigen. Manchmal kann es auch die besondere Herausforderung sein, die in der Lösung eines Problems liegt, die ein Thema spannend macht.

Hier geraten wir jedoch auch schon direkt in das Thema „kreative Haltung“. Ist man einfach nicht an einer Lösung interessiert, oder das Thema lässt einen völlig kalt, fehlt die Leidenschaft, sich überhaupt auf die Aufgabe einzulassen. Wenn man in einem kreativen Bereich arbeitet, z.B. Design, passiert es natürlich oft, dass man Aufgaben erhält, die nicht so spannend sind. Mit einer kreativen Haltung hat man aber auch schon eine grundsätzliche Vorliebe dafür, etwas Neues zu schaffen oder etwas zu verändern. So lässt sich leichter für weniger interessante Aufgaben und Themen dennoch eine gewisse kreative Leidenschaft wecken.

Visionäres und sinnlich-gestalthaftes Denken: Kreative glauben nicht nur an die Möglichkeit, dass es anders besser gehen kann oder eine andere Bedeutung erschließbar ist. Sie haben oft schon eine Vision davon vor Augen und glauben an eine bessere / andere „Wahrheit“. Für Motivation und Durchhaltevermögen ist visionäres Denken grundlegend. Kreative Aufgabenstellungen sollten sich daher möglichst auf eine übergeordnete Vision, ein `höheres‘ Ziel beziehen. Es lässt sich jedoch schwer bestimmen, ob eine kreative Haltung durch visionäres Denken gefördert werden kann, oder ob die kreative Haltung umgekehrt Voraussetzung für visionäres Denken ist. Neigt ein Mensch einfach nicht dazu, visionäre Vorstellungsbilder zu entwickeln, wäre die Frage, ob es überhaupt Methoden gibt, visionäres Denken zu lernen.

Ohne sinnlich-gestalthaftes Denken (Intuition) ist kreatives Denken nicht möglich. Das Vorstellungsvermögen sollte in Ideenentwicklungsprozessen in hohem Maße angesprochen werden. Das Arbeiten mit sinnlichem Material (v.a. Visualisierungen) und das Anwenden von sinnlichen Kreativtechniken sollte bevorzugt werden. Sinnlich-gestalthaftes Denken zu schulen, ist vermutlich noch das einfachste, denn hier gibt es Methoden zum Trainieren, z.B. das Zeichnen-Üben. Dabei kommt es nicht darauf an, dass künstlerisch hochwertige Zeichnungen entstehen, sondern es ist eher ein Mittel zum Zweck, die eigene Wahrnehmung zu schulen. Man schaut sich die Dinge einfach genauer an, wenn man sie zeichnen muss. Man kann also einfach zunächst vorhandene Dinge abzeichnen, um dann später aus der Vorstellung zu schöpfen. Möglicherweise hilft es auch, das eigene Vorstellungsvermögen zu entwickeln, welches dann wiederum die Fähigkeit zum visionären Denken fördert.

Bewegliches Denken: Das Eintauchen ist Grundbedingung dafür, dass das Denken beweglich wird und man mit den Möglichkeiten (sinnlich-gestalthaft) spielen kann. Die Prozesse der Ideenentwicklung sollten daher so gestaltet werden, dass sie Eintauchen möglich machen, indem man z.B. anschauliches Material nutzt (s.o.). Eine andere wichtige Grundlage ist sozusagen die Größe des Raums, in dem sich das Denken bewegen kann. Oft verhelfen Analogien zu kreativen Ideen, z.B. wenn man in der Bionik Lösungen der Natur auf Maschinen überträgt. Um solche Übertragungen leisten zu können, muss man sich als Maschinenbau-Ingenieur jedoch auch mit der Natur beschäftigen. Der Pool an Rohmaterial im Assoziationsraum will gefüttert sein. Ohne Wissen oder Erfahrungen aus unterschiedlichen Bereichen, kann man Phänomene oder Lösungen aus unterschiedlichen Bereichen nicht miteinander vergleichen. Dazu hilft, sich immer neugierig mit vielseitigen Themen zu befassen und auch seinen Mitmenschen viele Fragen zu stellen. Man kann neugierig sein, ohne kreativ zu sein, aber nicht kreativ, ohne neugierig zu sein. Auch hier taucht wieder die Frage auf, inwieweit Neugier zur kreativen Haltung gehört und ob man Neugier erlernen kann.

Spielen und Kreativtechniken: Um Strukturen / Bedeutungen umzugestalten, muss mit den Bedingungen gespielt werden. Spielen ist zudem ein Motivationsfaktor, weil es i.d.R. Spaß macht. Ohne die Ernsthaftigkeit von Ideenentwicklung generell infrage zu stellen, sollte ein spielerischer Umgang mit dem Thema ermöglicht werden. Es sollte erlaubt sein / und man sollte sich selbst erlauben, zeitweise auch auf phantasievolle und unrealistische Abwege zu geraten. „Was wäre wenn …“ oder „So tun als ob …“ können hier hilfreiche Einleitungen zum Spiel sein. Der Haken am Spielerischen ist, dass es oft mit sinnlosem Quatsch und Albernheiten verbunden ist und man sich als Erwachsener oft nicht traut, so unvernünftig zu sein. Man braucht dafür die Gelassenheit, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und unlogische Widersprüche und puren Blödsinn zeitweise aushalten zu können. Das erfordert eine gewisse Peinlichkeits-Toleranzgrenze (Aber ist der Ruf erst ruiniert, lebt´s sich völlig ungeniert).

Ohne sinnlich-gestalthaftes Denken, visionäres Vorstellungsvermögen und Eintauchen ist die Anwendung von Kreativtechniken nutzlos. Sie können jedoch als eine Art Spielanleitungen auf die Sprünge helfen, wenn man z.B. eine Ideenblockade hat. Dabei hilft oft, dass Kreativtechniken einen dazu zwingen, zunächst sinnlose Operationen durchzuführen. Es macht – logisch betrachtet – keinen Sinn, z.B. irgendetwas einfach nur so auf den Kopf zu stellen. Es macht auch keinen Sinn, zwei wahllose Begriffe miteinander zu verknüpfen und auch nicht, zwei Dinge miteinander zu vergleichen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, z.B. die Natur mit einer Maschine (s.o.: Bionik). Dieses Sinnlose ist aber gerade das Spielerische, sodass die Techniken helfen können, in eine spielerische Verfassung zu kommen. Die Techniken können außerdem in der kreativen Teamarbeit nützlich sein, um die kreative Entwicklungsarbeit der Teammitglieder zu synchronisieren.

Kreativtechniken sollten aber nie zum Selbstzweck werden und es sollte kein Zwang bestehen, bestimmte Kreativtechniken anwenden zu müssen. Als Methoden, die beim experimentellen Spielen helfen, sind Kreativtechniken auch keine Zauberformeln, mit denen man Menschen eine kreative Haltung anzaubern kann. Sie sollten auch immer spielerisch behandelt werden, also nicht stur und diszipliniert wie eine Gebrauchsanleitung angewandt werden, sondern man sollte auch mit den Techniken selbst spielerisch umgehen. Bringt eine Technik, so wie sie beschrieben wird, keinen Erfolg, ändert man sie einfach oder nutzt eine andere. Viele professionell Kreative entwickeln im Laufe der Zeit ihre ganz eigenen Techniken, mit denen sie gut zurecht kommen und nutzen oft überhaupt keine bekannten Techniken, kennen sie mitunter gar nicht.

Fehlertoleranz: Wer Neues entwickelt, das Wagnis eingeht, etwas zu verändern und damit vom Bewährten abzuweichen, muss auch immer damit rechnen, dass es schief gehen kann. Die herkömmliche Lösung erweist sich vielleicht als besser als die neue und man hat dann viel Zeit “verschwendet” eine schlechtere Lösung zu finden. Möchte man Fehler auf jeden Fall vermeiden, sollte man beim Bewährten blieben! Vermutlich ist es ebenfalls Teil der kreativen Haltung, Neues zu wagen, trotz der Gefahr des Scheiterns. Möglicherweise lässt sich dies aber auch trainieren, indem man z.B. mit kleinen Wagnissen anfängt, bei denen die Gefahr des Scheiterns überschaubar ist, um dann durch Erfolgserlebnisse mutiger zu werden.

Kreativteams

Teammitglieder: Es gibt keine empirischen Studien dazu, inwieweit kreatives Denken angeboren ist oder von jedem erlernbar. Da der Prozess jedoch komplex ist und bestimmte intuitive – nicht explizit vermittelbare – Kompetenzen benötigt, sollte für kreative Projekte möglichst auf Teilnehmer zurück gegriffen werden, die bereits Erfahrungen mit dem Entwickeln von Ideen haben. Zumindest sollten in einem Kreativteam ein paar Teilnehmer dabei sein, die eine kreative Haltung haben und über Erfahrungen in der Ideenentwicklung verfügen.

Fachgespür: Kreative sind in der Regel Experten ihres Faches mit intuitivem Fachgespür. Kreativteams sollten daher auch immer mit Fachexperten besetzt sein. Um das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten zu können, ist es aber auch zuträglich wenn im Kreativteam zusätzlich fachfremde Teilnehmer mitwirken, bzw. das Team insgesamt interdisziplinär zusammengesetzt ist.

Teamdynamik: In der Teamarbeit sollte eine vertrauensvolle, lockere und konkurrenzfreie Atmosphäre herrschen. Am besten ist es, wenn ein Team wie eine aufeinander eingespielte Musik-Band funktioniert. Jeder muss auch kompromissbereit sein und bereit, seine eigenen Ideen für eine bessere Idee eines anderen aufzugeben. Strenge, unflexible Hierarchien sind hier fehl am Platz.

Konsumenten-Einbindung: Zur Erhöhung der Konsumentenorientierung von Ideen bietet sich eine Einbindung von Konsumenten/ Kunden in das kreative Team an. Das muss jedoch kritisch betrachtet werden. Als Lead- oder Heavyuser  besitzen die Konsumenten zwar eine gewisse Verwender-Fachexpertise und man kann sie so auswählen, dass sie im kreativen Denken geübt sind. Sie sind aber auch keine Normal-Konsumenten und ihre Ideen sind daher nicht unbedingt auf Normal-Konsumenten übertragbar. In der Rolle als Ideenentwickler sind sie zudem gefordert, über den Tellerrand hinaus zu blicken und sich gerade nicht von ihren Einstellungen und Wünschen als Konsumenten einschränken zu lassen. Unbewusste Kaufmotive bleiben auch außen vor.

Crowdsourcing: Auf den ersten Blick wirkt es überzeugend. Viele haben viele Ideen und es erhöht die Chance, in der großen Menge verschiedene Ideenansätze und auch besonders gute und neuartige zu finden und das auf eine effiziente Art und Weise. Näher betrachtet und auf Basis der vorliegenden Studie melden sich jedoch Zweifel an der Wirksamkeit an. Ob 10 Menschen dieselbe stereotype Idee haben oder 20, macht die Idee nicht weniger stereotyp. Wenn hier mehrere Tausend Ideen gesammelt werden, ist außerdem die Auswahl guter Ideen extrem aufwändig. Der Idee des Crowdsourcings liegt eine Produktionslogik zugrunde, die Ideen wie Rohmaterial behandelt. Diese werden dann in Fließband-Manier aussortiert und weiter verarbeitet. Das lässt außer Acht, dass Ideen keine Entitäten sind, sondern Umstrukturierungen, dass sie aus einem tiefen Eintauchen einzelner Kreativer in das Thema entstehen und nicht aus der Masse. Sie benötigen Fachgespür, sowie Erfahrung mit dem kreativen Arbeiten, was in der Regel auf die Teilnehmer von Crowdsourcing-Projekten nicht zutrifft.

Reale und virtuelle Umgebung: Eine richtig gestaltete Umgebung für kreative Prozesse gibt es nicht. Der Kreative muss sich wohl fühlen und die Situation sollte frei von negativem Stress sein. Es sollte genug Platz für Bewegungsfreiheit und Arbeitsmaterialen zum sinnlich-gestalthaften Arbeiten zur Verfügung stehen. Als Ergänzung zwischen realen Treffen eines Kreativteams, deren Mitglieder aus entfernten Orten stammen, kann ein virtuelles System über das Internet sinnvoll sein. Als stand-allone-Lösung hat es vor allem den Nachteil, dass das Eintauchen ins Thema erschwert wird. Der spielerische Umgang und das Arbeiten mit sinnlich-gestalthaften Mitteln sind in der Regel auch nicht möglich.

Kreative Ideenentwicklung in unternehmerischen Prozessen

Unternehmen schöpfen ihren Erfolg in der Regel aus einem gut strukturierten, meist hierarchisch organisierten Aufbau in arbeitsteiligen Abteilungen mit klarer Zuweisung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Die nötige Effizienz, um für eine hohe Produktivität zu sorgen, wird nicht zuletzt durch diese Ordnung erreicht. Wichtig dafür ist auch das Etablieren wiederkehrender Routinen, wofür mitunter ein hohes Maß an Verwaltung unerlässlich ist. Durch Routinen, Controlling und Halten am Bewährten werden auch Fehler vermieden und wer Fehler macht, muss sich rechtfertigen. Kreative Ideenentwicklung benötigt fast das Gegenteil: Keine Hierarchien, interdisziplinäre statt arbeitsteilige Zusammenarbeit, vielfältiges, spielerisch-flexibles Denken anstelle von Routinen, Freiraum statt Verwaltung und Fehlertoleranz, bzw. Mut zum Scheitern. Man könnte die provokante Schlussfolgerung ziehen, dass Innovations-Entwicklung überhaupt nicht in übliche (Es gibt Ausnahmen!) Unternehmensstrukturen und – prozesse passt.

Alternative Lösungen

Teams of interest:  Bei der Zusammensetzung der Teams kann ähnlich verfahren werden wie beim sog. `Open Space‘. Nötige Entwicklungsvorhaben oder zu lösende Probleme werden im Unternehmen (z.B. über Mitarbeitervorschlagswesen) gesammelt. Interessierte melden sich zur Teilnahme an den jeweiligen Entwicklungsprojekten an. Die daraus entstehenden Teams of interest agieren ausgelagert aus dem routinierten Alltagsgeschäft und den Unternehmensstrukturen. Um dem eigensinnigen Prozess gerecht zu werden, bietet sich eine Selbstverwaltung der Kreativteams an. Sie arbeiten temporär / sporadisch oder auch längerfristig regelmäßig miteinander, wählen ihren Teamsprecher selbst und einigen sich auch eigenständig auf Vorgehensweise und Aufgabenverteilung. Problematisch könnte sein, Mitarbeiter zeitweise / tageweise für die Teilnahme an den Teams von den üblichen Aufgaben freizustellen.

Ideen-Agenturen / freie Erfinder(teams): Selten führen Unternehmen eine eigene Werbeagentur-Abteilung. Hier scheint es auf allgemeine Akzeptanz zu stoßen, dass solche auf Kreativität spezialisierten Tätigkeiten nicht in das Unternehmen passen, sondern extern eingekauft werden. Ideen-Agenturen / freie Erfinder(teams) haben eine ähnliche Aufgabe, die sich jedoch nicht auf Kommunikationskonzepte bezieht, sondern auf Produkt- und Strategieentwicklung oder technische Erfindungen. Ein Vorteil ist hier – neben dem Blick von außen- , dass externe Agenturen Aufgaben aus verschiedenen Bereichen erhalten, sodass hier die Inspiration über Analogien zu anderen Themen und Branchen hoch ist. Wird die Ideenentwicklung gänzlich ausgelagert, ist es jedoch enorm wichtig, auf eine gute Integration zu achten. Neben einem exzellenten Briefing sollten Mitarbeiter des Unternehmens, die mit dem Projekt betraut sind, stark in die Entwicklungsprozesse der Ideenagentur eingebunden werden.

Mischformen: Es ist auch möglich, Teams of interest und Mitarbeiter von Ideen-Agenturen / freie Erfinder(teams) gemeinsame Teams mit verschiedenen Schwerpunkten bilden zu lassen. Dadurch lässt sich unternehmensinternes Fachgespür mit einem Blick von außen zielführend kombinieren. Teams of interest können auch feste und ständige Teams sein, die als spin offs aus dem Unternehmen – zumindest teils – ausgelagert werden und – z.B. als Tochtergesellschaft geführt – ähnlich einer eigenständigen Ideen-Agentur / Erfinder(team) – agieren.

Kreativförderung und Kreativtraining in Unternehmen

Da Kreative sich ihre Arbeitsweise in der Regel über einen langen Zeitraum erarbeiten, macht im Grunde auch nur eine langfristig angelegte Kreativförderung Sinn! Kreativtrainings sollten nicht das ehrgeizige Ziel verfolgen, aus allen Mitarbeitern phantasievolle Innovatoren zu machen und sich nicht darauf eingrenzen, den Mitarbeitern Kreativtechniken als abstrakte Gebrauchsanleitungen zu vermitteln. Ebenso zweifelhaft ist der Versuch, über die Umgebung mehr Kreativität zu schaffen. Unternehmen kommen heute z.B. auf die Idee, eine Art Bällebad wie bei IKEA im Büro einzurichten, weil sie sich davon die Steigerung der kreativen Atmosphäre erhoffen („Achtung, Achtung! Der kleine Tim, Hyper Intelligence Marketing Superwiser, möchte aus dem Bällebad abgeholt werden!“). Das mag zwar das Arbeiten im Unternehmen auflockern, macht die Mitarbeiter aber nicht kreativer.

Kreativtrainings können aber bewirken, dass das Interesse an und das Verständnis für Innovation im Unternehmen steigt. Es kann auch die Bereitschaft erhöhen, aufmerksamer für Probleme zu werden und erkannte Probleme an ein ggf. vorhandenes Entwicklerteam weiter zu leiten. Da kreatives Arbeiten und Denken aus der Praxis und sinnlicher Erfahrung lebt, kann es auch positiv zum innovativen Klima des Unternehmens beitragen, wenn Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen – sozusagen als Gäste – zeitweise im Entwicklungsteam mitarbeiten. Ebenso ist es umgekehrt möglich: Entwickler wirken zu Gast in anderen Abteilungen mit. Das fördert zudem die interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Fehlt nur noch der Epilog

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